Frühjahr 2021 – massive Algenprobleme

Der Klimawandel wird immer mehr spürbar – das Wetter wird immer unberechenbarer.

So war in Nordwürttemberg das Frühjahr 2021 viel zu kalt, extrem trocken und zu Beginn auch noch sehr sonnig. Die Folgen, die wir häufig an vielen Gewässern beobachten konnten, war mancherorts die reinste Explosion von Fadenalgenbeständen wie schon lange nicht mehr. Ausschlaggebend dafür sind neben der intensiven Sonneneinstrahlung auch der permanent vorhandene überhöhte Nährstoffgehalt unserer Gewässer, die durch die geringe Wasserführung noch verstärkt wurde, da der Verdünnungseffekt geringer war als sonst üblich. Fadenalgen kommen in praktisch allen Gewässern vor. Experten schätzen, dass in den mitteleuropäischen Binnengewässern etwa 1000 verschiedene Arten von Fadenalgen existieren. Welche dramatischen Folgen ungezügeltes Algenwachstum haben kann zeigen ganz aktuell die erschreckenden Algenteppiche am Marmarameer in der Türkei.

Hier einige Beispiele, wie sie sicherlich auch an anderen Gewässern dieses Frühjahr in ähnlicher Form vorgekommen sind:

Ein Hochwasserrückhaltebecken als Dauerstau, das 40 Jahre alt ist und das als Angel- und Badesee genutzt wird. Dort kam es ab März zu einer noch nie dagewesenen Massenentwicklung einer Fadenalge der Gattung Spirogyra. Diese bildet vom Grundaufsteigende, watteartige Fäden, die sich immer weiter ausbreiten und letztendlich einen dichten, mit Sauerstoffbläschen durchsetzten, schwimmenden Teppich bilden. Zunächst einmal ist wenigstens positiv, dass diese Algen für Fische und andere Wasserorganismen primär nicht schädlich sind und nicht zu einem Fischsterben oder Vergiftungserscheinungen führen können wie z.B. Blaualgen dies tun.

DSC00840

Dichter Algenteppich im HRB Schleierhof

Unser Verbandsbiologe Ingo Kramer hat dazu angemerkt, dass sich die Zellen dieser Art bei einem guten Lichtangebot besonders schnell teilen, so dass es bereits im zeitigen frühen Frühjahr oft schon zu einer starken Entwicklung der Algenfäden kommt. Diese bevorzugen relativ nährstoffarme bis mäßig belastete Gewässer. Im Zusammenwirken mit günstigen Umweltfaktoren (Temperatur, Licht, Nährstoffe), wie in diesem Frühjahr, kommt es in kürzester Zeit zu Massenentwicklungen.

Sollte oder kann man was dagegen tun? Wenn möglich ja, da die Algenteppiche nicht nur extrem lästig beim Angeln sind, sondern nach dem Absterben erfordert deren Zersetzung viel Sauerstoff und die Nährstoffe verbleiben im Gewässer. Ein Einsatz von chemischen Mitteln, die zur Bekämpfung angeboten werden, verbietet sich in unseren Gewässern von sich aus. Auch die Beschattung durch einen dichten Gehölzbestand fällt im Frühjahr aus – da haben die Laubbäume noch keine Blätter. Einzig das mechanische Abschöpfen mit einem Rechen und ähnlichem hilft. Oft treibt der Wind die auftreibenden Algen in einer bestimmten Ecke zusammen und dort kann man diese dann gezielt entnehmen. Am Ufer zwischenlagern, damit eventuell darin befindliche Insektenlarven wieder ins Gewässer zurück gelangen können. Dann müssen diese aber unbedingt vom Ufer entfernt werden, um die Nährstoffe nicht wieder in das Gewässer zurück zu führen. Eine Entsorgung ist über die örtlichen Grüngutsammelplätze möglich. Vorbeugend kann man versuchen, das Gewässer durch einen dichten Gehölzbestand zu verschatten, aber das gelingt nur bei kleinen Teichen. Ein Besatz mit gründelnden Fischarten hilft manchmal, denn trübes Wasser behindert die Photosynthese der Algen. Manchmal verschwindet das Vorkommen aber auch genauso überraschend wie es aufgetreten ist.

Einige Fadenalgenarten lieben durchströmte Bereiche, andere sind in strömungsfreien Bereichen anzutreffen. Typischerweise wechseln die Populationen von Fadenalgen auch während der Jahreszeiten, abhängig von Temperatur, Lichtverhältnissen und verfügbaren Nährstoffen. Wenn ausreichend Makronährstoffe im Wasser gelöst sind, kann es zu Massenentwicklungen kommen, bei denen Fadenalgen dichte Beläge auf dem Boden in Form von großen, watteartigen Flocken bilden, die durchaus die ganze Gewässersohle bedecken können. Bei Sonneneinstrahlung kann man oft beobachten, wie aus diesen tagsüber kleine Luftbläschen entweichen und zur Oberfläche aufsteigen. Diese werden bei der Photosynthese produziert und setzen tagsüber Sauerstoff in Form von kleinen Gasblasen frei. Nachts entziehen diese den im Wasser gelösten Sauerstoff aber wieder. Bei starker Sonneneinstrahlung und ausreichend hoher Wassertemperatur sterben diese ab, lösen sich vom Substrat und treiben an der Wasseroberfläche auf.

Fllbach Belsenberg4

Dichter Bewuchs mit „Wattebällchen“ aus Algen

Dies geschieht spätestens dann, wenn das Gewässer wieder durch den Laubaustrieb beschattet wird. Dabei verbleibt auf dem Sediment ein feiner Schlammüberzug, der das Lückensystem verstopft und zur Kolmatierung der Gewässersohle beiträgt. Der größte Teil aber löst sich vom Boden ab, schwimmt auf und wird abgetrieben. Daher fällt dies häufig nicht weiter auf. Aber an Hindernissen und Rückströmungen können sich diese Teile sammeln und einen dichten Teppich bilden, der sich weiter zersetzt und dabei Sauerstoff verbraucht. Dieser auch für den Laien auffällige Vorgang hat in diesem Frühjahr schon zu Polizeieinsätzen geführt, die von besorgten Bürgern wegen einer vermuteten „Gewässerverunreinigung“ ans Gewässer gerufen wurden. Eine Gewässerverunreinigung lag nicht vor – sondern „nur“ die leider übliche Eutrophierung. Als Maßnahme gegen diese Algen verbleibt nur die Aufgabe an die Politik, den Nährstoffeintrag in unsere Gewässer endlich auf das Maß zu verringern, das das Nährstoffüberangebot auf ein vernünftiges, naturverträgliches Maß zurückgeführt.

Rinnenbach 10 768x1024

Durch einen Biberdamm aufgestauter Bach

Rinnenbach 21 768x1024

Dort stauen sich die abgestorbenen Algen

Die häufigste Algenart, die die meisten von uns jährlich beobachten, ist eine Fadenalgenart in Fließgewässern, die wir als Kinder wegen ihres Aussehens „Darmalgen“ nannten. Diese bilden dort lange, auf dem Gewässergrund befestigte Fäden, die in der Strömung wedeln und von Fischen auch als Unterstand genutzt werden. Man konnte aus diesen herrliche Ballen formen und sich gegenseitig bewerfen. Beim Angeln sind sie äußerst lästig, da man an diesen Fäden beim Spinnfischen permanent hängen bleibt oder diese sich ablösen, abtreiben und dann an der Grundangel einen Biss vortäuschen…..Im Darm von Döbeln oder Barben habe ich diese Algenfäden auch schon gefunden – keine Ahnung, ob es sich dabei um trendige, vegetarisch veranlagte Exemplare gehandelt hat oder ob das Hauptinteresse den in den Algenfäden lebenden Flohkrebsen und Insektenlarven galt.

Algen Klepsau2Dichter Bestand in der Jagst

 

Fadenalgen Brcke Weibach2

Fast zugewachsene Gewässersohle am Kocher

 

Manchmal sind die Bestände derart hoch, dass nach dem Absterben der Algen diese – sehr zum Ärger der Anlagenbetreiber – den Schutzrechen an einer Wasserkraftanlagen innerhalb kürzester Zeit vollständig zusetzen und der Rechenreiniger seiner Aufgabe kaum noch nachkommt.

WKA Franz Algen2

Abgestorbene Algenmassen am Rechen der Wasserkraftanlage „Renkenmühle“ an der Jagst

Diese Algen sind aber wie die alle anderen Massenvorkommen ein eindeutiger Indikator für den überhöhten Nährstoffgehalt unserer Gewässer. Mit den bekannten negativen Folgen, nämlich neben der Kolmatierung der Gewässersohle mit dem enormen Sauerstoffentzug im Wasser, der mit der Zersetzung der Algen verbunden ist. Alles zusammen sind eindeutige Indizien dafür, dass unsere Gewässer von dem vielgepriesenen „guten ökologischen Zustand“ gemäß den Forderungen der EU-WRRL immer noch weit entfernt sind und der Klimawandel den Weg dorthin auch nicht gerade leichter macht. Umso mehr muss hier gehandelt werden. Dazu gehört auch ein dichter Gehölzsaum entlang der Gewässer, der nicht nur zu einer Beschattung gerade kleiner Gewässer führt und damit das Algenwachstum behindert, sondern auch hilft, die Wassertemperaturen in einem einigermaßen erträglichen Rahmen zu halten.

Achim Megerle

Kreisvorsitzender Hohenlohekreis