Am 10. November fand die erste Weidenpflanzaktion entlang der Murr statt. Zum Auftakt versammelten sich zahlreiche Helfer in Backnang.
Oberbürgermeister Dr. Frank Nopper bezeichnete in seiner Rede den Fluss als Lebensader und würdigte die Anstrengungen der Hegegemeinschaft Einzugsgebiet Murr. Dank ihrer Unterstützung sowie auch der durch den Landesfischereiverband werde es gelingen, die Ufer ökologisch aufzuwerten und das Leben im Wasser vielfältiger zu gestalten.
Landrat Sigel konnte sich dem nur anschließen und sagte der Hegegemeinschaft eine finanzielle Beteiligung des Kreises bei der Umsetzung der Renaturierungsmaßnahmen zu. Auf den Umweltschutzgedanken der Angelvereine wies Reinhart Sosat, Geschäftsführer des Landesfischereiverbandes Baden-Württemberg, hin: „Angeln war schon immer mehr als Fische fangen.“
Bei einem Gespräch zwischen Regierungspräsidium Stuttgart und dem Vorstand der Hegegemeinschaft im Sommer hatte sich ebenfalls eine fruchtbare Zusammenarbeit in Bezug auf zukünftige Renaturierungsmaßnahmen abgezeichnet, berichtete der beratende Biologe der Hegegemeinschaft Justin Guest: „Nur wenn die Umwelt intakt ist, gedeihen Fische.“ Die Mitglieder der Hegegemeinschaft und Flussmeister Heiko Lehmann wollen hierbei Hand in Hand zusammenarbeiten, um der Murr ihre Vielfalt zurückzugeben und das Ökosystem zu verbessern.
Im Anschluss an die Ansprachen verteilten sich die Helfer entlang des kompletten Flusses. Hunderte von Weiden konnten im Verlauf des Tages zwischen Murrhardt und Murr im Bereich zwischen Mittelwasserlinie und Niedrigwasserlinie gesteckt werden. Unterstützt wurden die Angler hierbei von Vertretern der lokalen Politik.
Das Wurzelwerk der Weiden ist sehr dicht. Im Wasser dienen sie zur Filterung des Feinsediments und bewirken zudem eine Strömungsänderung, was der Unterspülung des Ufers entgegenwirkt, wie Alexander Schaal vom Anglerverein Backnang und Umgebung e.V. erläutert.
Das dichte Wurzelsystem an Land stärkt die Uferbefestigung. Die Bäume üben noch weitere wichtige Funktionen aus. Einerseits dient das dichte Blattwerk der schnell wachsenden Laubgehölze der Flussbeschattung und somit der Kühlung des Wassers. Im vergangenen Sommer war etwa in Oberschöntal eine erschreckend hohe Wassertemperatur von 25 Grad gemessen worden.
Das dicht verzweigte Wurzelwerk wird ferner Kleintieren und Nährfischen Lebensraum bieten und zugleich als Rückzugsmöglichkeit für größere Fische dienen. Die bepflanzten Gebiete werden in einer Onlinekarte eingetragen, sodass nicht nur die beteiligten Vereine, sondern auch Flussmeister Lehmann einen Überblick hat.
Er wiederum wird, neben weiteren Renaturierungsmaßnahmen, an verschiedenen Stellen im Fluss Kies und Störsteine einbringen lassen, um zusätzliche Verwirbelungen zu schaffen, was ebenfalls der Wasserkühlung dient. Wenn all diese Maßnahmen umgesetzt sind führen sie zu mehr Lebensraum und Nahrung für alle Lebewesen im und am Wasser.
Laut Vlado Pajurin, Vorstandsmitglied der Hegegemeinschaft, wird die Weidenpflanzaktion jährlich wiederholt werden. Renaturierungsmaßnahmen müssen langfristig gesehen werden.
Die Hegegemeinschaft Einzugsgebiet Murr (HGEZG) hat sich folgende Ziele gesetzt:
– bei den zuständigen Behörden mehr Gehör zu finden
– eine vollständige Durchgängigkeit im gesamten Flusslauf für alle im Wasser lebenden Tierarten zu erreichen
– bessere Strukturen und geeignetere Lebensbedingungen für den Makrozoobenthos und Fische zu schaffen
– Möglichkeiten der natürlichen Reproduktion zu schaffen bzw. zu erhöhen, indem Kieslaichplätze
angelegt und gepflegt werden
– schädliche Temperatureinträge in den Hitzephasen durch eine Erhöhung der Beschattung am
Gewässers (Weidenbepflanzungsaktion) zu reduzieren
– Sauerstoffeintrag und Selbstreinigungsprozesse im Gewässer durch mehr Struktur (Störsteine, u.a.) zu fördern
– verschollene oder in ihrem Bestand gefährdete Fischarten wieder anzusiedeln bzw. zu schützen
wie z.B. den Aal, die Nase, die Äsche, die Bachforelle u.v.m.
– in einer eigenen Fischzuchtanstalt phänotypische Bachforellen aus der Murr nachzuzüchten, um
den gefährdeten Bachforellenbestand zu stützen
– Neozoen, wie die Schwarzmeer Grundeln oder den Amerikanischen Signalkrebs zurück zu drängen
bzw. auf ein für das Ökosystem verträgliches Maß zu reduzieren
– eine abgestimmte Bewirtschaftung auf der gesamten Flusslänge zu gewährleisten