Der Anlass:
Die koordinierte Fischzählung am 12. Juli als Fallstudie für das Gewässermanagement.
Die am 12. Juli in Freiburg durchgeführte Fischzählung in der Dreisam war mehr als eine einfache Routineaktion; sie stellt eine koordinierte und wissenschaftlich fundierte Fallstudie im praktischen Gewässermanagement dar. Die Aktion, bei der sich die Interessensgemeinschaft Dreisam (IG-Dreisam) als federführendes Organ, gemeinsam mit Mitgliedern des Angelsportvereins Freiburg (ASV Freiburg), des Landesfischereiverbandes Baden-Württemberg (LFVBW) und die Ehrenamtliche Fischereiaufsicht der RP Freiburg zusammenfand diente einem doppelten Zweck: der Umsiedlung von Fischen vor anstehenden Baumaßnahmen und der Erhebung von Langzeitdaten zur Überwachung der jährlichen Veränderungen im Fischbestand. Die Messung, Zählung und Umsiedlung der Fische erfolgte mittels Elektrofischerei, einer in der Gewässerökologie etablierten Methode, die eine schonende Erfassung der Population ermöglicht. Diese Vorgehensweise bestätigt den wissenschaftlichen Anspruch der Veranstaltung, die auf die Gewinnung valider Daten für die Gewässerforschung abzielt.
Die Durchführung der Operation demonstrierte ein hohes Maß an Professionalität und Sicherheitsbewusstsein.
An der Veranstaltung waren mehrere Schlüsselakteure beteiligt, die jeweils eine spezifische Rolle im Projekt übernahmen. Die IG-Dreisam, deren Mission die Renaturierung der Dreisam ist, leitete die Veranstaltung und war primär für das Monitoring zuständig. Der 2. Vorsitzende Jürgen Steiner der IG-Dreisam begrüßte die Anwesenden, was die leitende Funktion der IG-Dreisam unterstreicht. Der Angelsportverein Freiburg wiederum, dessen Selbstverständnis der Schutz der Gewässer und die nachhaltige Nutzung der Fischbestände ist, übernahm die physische Umsiedlung der gefangenen Fische in sichere Bereiche flussauf- und abwärts. Die fachliche Leitung oblag dem Landesfischereiverband Baden-Württemberg, vertreten durch Claudio Schill (Bezirksreferent für Gewässer), Klaus Lachner, Ingo Kramer und Martin Mitschele (Referenten für Gewässer Nordbaden) sowie der Fischereibehörde, vertreten durch Herbert Kaiser als ehrenamtlichen Fischereiaufseher. Die Anwesenheit dieser hochrangigen Vertreter des Verbandes bestätigt die Bedeutung des Projekts und die enge Zusammenarbeit zwischen lokalen Vereinen und überregionalen Fachverbänden.
Analyse des Fischbestandes: Quantitative und qualitative Bestandsaufnahme.
Die Ergebnisse der Fischzählung lieferten ein differenziertes Bild des Dreisam-Ökosystems. Während in den vergangenen Jahren eine höhere Populationsdichte verzeichnet wurde, zeigte die diesjährige Zählung einen Rückgang im Fischbestand. Die quantitative Abnahme erfolgte im Zusammenhang mit dem Metarhithral (untere Forellenregion).
Die Artenzusammensetzung der gefangenen Fische umfasste eine Reihe von Indikatorarten, darunter Schmerlen, Elritzen, Bachforelle, Schneider und Groppen. Diese Fische sind bekannt dafür, dass sie saubere, strukturreiche und sauerstoffreiche Kaltwasserhabitate bevorzugen.
Ein besonders ermutigendes Ergebnis war der Fang von einjährigen Bachforellen. Das Überleben dieser Jungfische ist ein entscheidender ökologischer Indikator. Die Bachforelle ist eine anspruchsvolle Fischart, die auf kühle, sauerstoffreiche Gewässer und kiesige Laichgründe angewiesen ist. Das Vorkommen der einjährigen Fische belegt, dass die Dreisam seit einigen Jahren geeignete Bedingungen für die natürliche Reproduktion dieser sensiblen Art bietet. Es zeigt, dass der Fluss trotz negativer Trends (hoher Freizeitnutzung, die Folgen des Klimawandels und seiner extrem hoher strukturellen Überformung) eine bemerkenswerte Resilienz aufweist und ein hohes Potenzial für kieslaichende Fische hat. Die laufenden Anstrengungen zur Verbesserung der Flussstruktur und des Habitats müssen weiterhin gefördert werden. Aus fischereibiologischer Sicht ist dies ein fundamentales Argument für die Fortsetzung und Intensivierung der Renaturierungsarbeiten.
Eine detaillierte Übersicht über die Beobachtungen und deren ökologische Implikationen ist in der folgenden Tabelle dargestellt:
| Fischart |
Beobachtung |
Ökologische Bedeutung |
| Bachforelle |
Nicht nur ein Vorkommen einjähriger Fische, sowie aller Größen |
Bestätigt erfolgreiche Reproduktion und die Existenz geeigneter Laichgründe (Kinderstube) in der Dreisam. Wichtiger Ökostamm aus dem Ibental. |
| Groppe, Schmerle, Elritze und Schneider |
Der Gewässerstruktur angepasstes Vorkommen |
Indikatoren für eine gute Wasserqualität, kühle Temperaturen und strukturreiche Habitate mit Steinen und Versteckmöglichkeiten. |
| Diverse Arten |
Insgesamt geringere Anzahl als in den Vorjahren |
Hinweise auf natürliche Stabilisierung aufgrund der Gewässerstruktur |
Systemische Einflussfaktoren auf das Ökosystem der Dreisam.
Der leichte Rückgang des Fischbestandes ist das Resultat einer komplexen Interaktion aus historischen Veränderungen, andauerndem anthropogenem Druck und den Auswirkungen des Klimawandels. Diese Faktoren wirken sich kumulativ auf die Hydromorphologie und die ökologische Integrität des Flusses aus.
4.1. Hydromorphologie und die Geschichte der Dreisam.
Die heutige Beschaffenheit der Dreisam ist das Ergebnis einer langen Geschichte menschlicher Nutzung. Der Fluss wurde in der Vergangenheit, unter anderem aus Gründen des Hochwasserschutzes und Nutzung des Umfeldes (Industrie und Straßen), in ein enges, trapezförmiges Bett gezwängt. Diese „Kanalisierung“ reduzierte die natürliche Vielfalt der Flussstruktur, die für ein gesundes Ökosystem unerlässlich ist. Eine artenreiche Gewässerstruktur umfasst abwechslungsreiche Bereiche mit unterschiedlichen Fließgeschwindigkeiten, Ruhezonen, Laichgründen und Unterständen ohne diese Vielfalt, wie sie in einem begradigten Flussabschnitt vorherrscht, können sich Fischpopulationen nicht nachhaltig entwickeln, da ihnen spezifische Lebensräume für die verschiedenen Phasen ihres Lebenszyklus fehlen.
Als direkte Antwort auf diese historischen Defizite werden strategische Renaturierungsmaßnahmen ergriffen. Dazu gehören die Aufweitung des Flussbettes, der Einbau von Lenkbuhnen und das Anlegen von Ruhigwasserzonen, die eine Strömungsvielfalt erzeugen sollen. Darüber hinaus sind die Reparaturen an älteren Strukturen, die durch das Hochwasser im letzten Jahr beschädigt wurden, wie die erneute Befestigung von Baumstämmen, von großer Bedeutung, da Totholz und Wurzelstöcke wichtige Versteck- und Rückzugsorte für Fische bieten. Grundwasseraustritte bedienen die kalte Wasserstellen.
4.2. Anthropogener Nutzungsdruck und seine Folgen.
Die Zunahme von Besuchern und Badegästen stellt einen weiteren bedeutenden Stressfaktor für das Dreisam-Ökosystem dar. Die physische Anwesenheit von Menschen kann sensible Ufer- und Flachwasserbereiche stören, die als Aufwuchsgebiete oder Ruhezonen dienen. Darüber hinaus führen der zurückgelassene Müll, der an inoffiziellen Badestellen mangels Infrastruktur häufig liegen bleibt, die zunehmende Gewässerverschmutzung durch Kosmetika wie Sonnencremes und sonstige Organische Belastungen durch Freizeitnutzung (keine freien Toiletten, höhere Nährstoffeintrag aus der Umwelt) zu einer Belastung des Ökosystems.
Die Beobachtung, dass sogar Möbelstücke in den Fluss gestellt werden, ist nicht lediglich eine Form von Vandalismus. Sie offenbart eine tiefgreifende kognitive und ethische Kluft im Verständnis der Dreisam als Lebensraum. Während technische Maßnahmen oder einfache Verbote kurzfristige Effekte erzielen können, liegt die eigentliche Herausforderung in der fehlenden Wertschätzung des Flusses als lebendiges System. Das Fehlen dieses Bewusstseins zeigt, dass eine rein regulatorische oder technische Lösung nicht ausreicht. Ein nachhaltiger Schutz des Gewässers kann nur erreicht werden, wenn die Öffentlichkeit den Fluss nicht nur als Freizeiteinrichtung, sondern als fragiles Ökosystem wahrnimmt, das ihren Schutz benötigt.
4.3. Klimawandel und die strategische Bedeutung der Kaltwasserpools.
Die Fischzählung in der Dreisam ist auch im Kontext der zunehmenden Klimaerwärmung zu betrachten. Steigende Wassertemperaturen und längere Trockenperioden stellen eine existenzielle Bedrohung für Kaltstenoterme Fischarten dar. Die „Kaltwasserpools“, deren Reparatur die Baumaßnahmen in der Dreisam auslösten, sind eine direkte strategische Antwort auf diese Herausforderung.
Diese Pools die, als bis zu 1,7 Meter tiefe Senken angelegt wurden, dienen als thermische Rückzugsorte für Fische während Hitze- und Niedrigwasserphasen. Tausende von Fischen haben in den bereits bestehenden Pools Zuflucht gefunden. Die Wirksamkeit dieser Maßnahmen wird durch fortlaufende Mentoringprogramme untermauert. Der Landesfischereiverband Baden-Württemberg betreibt ein landesweites „Temperaturmonitoring Gewässer“-Projekt, das Langzeitdaten sammelt und die Auswirkungen des Klimawandels auf aquatische Lebensräume dokumentiert. Solche Datensätze ermöglichen es, die Wirksamkeit der Kaltwasserpools wissenschaftlich zu überprüfen und zukünftige Maßnahmen zur Stabilisierung der Gewässer abzuleiten. Diese datengestützte Zusammenarbeit zwischen Behörden, Fachverbänden und Forschungseinrichtungen, wie die der Universität Freiburg, stellt eine fundierte und zukunftsorientierte Herangehensweise an den Gewässerschutz dar.
Eine zusammenfassende Übersicht über die systemischen Stressoren und die daraufhin ergriffenen Maßnahmen ist in der nachfolgenden Tabelle dargestellt:
| Stressfaktor |
Beobachtete Auswirkungen |
Konkrete Maßnahmen |
| Hydromorphologische Defizite |
Reduzierte Artenvielfalt; Verlust von Lebensräumen (Laichplätze, Rückzugsgebiete) |
Kontinuierliche Renaturierung (Aufweitung des Flussbettes, Einbau von Lenkbuhnen, Anbringen von Wurzelstöcken) |
| Anthropogener Nutzungsdruck |
Rückgang des Fischbestandes; Zerstörung von Habitaten durch Betreten; Müll- und Schadstoffeintrag |
Aufklärung der Öffentlichkeit; Schaffung von geschützten Uferzonen; Verbesserung der Infrastruktur |
| Klimatische Erwärmung |
Anstieg der Wassertemperatur; Niedrigwasser; Fischsterben |
Bau von Kaltwasserpools als thermische Rückzugsräume; Langfristiges Temperaturmonitoring |
- Weiterführung der hydromorphologischen Maßnahmen: Die Renaturierungsarbeiten müssen als langfristiges und kontinuierliches Projekt verstanden werden. Das erfolgreiche Vorkommen der einjährigen Bachforellen bestätigt, dass der Ansatz zur Schaffung vielfältigerer Flussstrukturen fundamental richtig ist. Die fortlaufende Nacharbeit, wie sie im Rahmen der Maßnahmen zur Befestigung von Baumstämmen beschrieben wurde, ist unerlässlich, um die Stabilität des Gewässers zu sichern.
- Stärkung der Öffentlichkeitsarbeit: Um dem fehlenden Bewusstsein der Öffentlichkeit entgegenzuwirken, ist eine umfassende Sensibilisierungskampagne unerlässlich. Es wird empfohlen, öffentlich zugängliche Bereiche als „Achtsamkeitszonen“ auszuweisen, in denen die Besucher aktiv dazu ermutigt werden, die Flussökologie zu beobachten, statt sie zu stören. Bildungsmaßnahmen, wie Informationstafeln oder digitale Kampagnen, sollten die Geschichte des Flusses und die Bedeutung seiner Artenvielfalt erklären, um eine Kultur des Respekts zu fördern.
- Optimierung des Monitorings: Das laufende Fisch- und Temperaturmonitoring ist von unschätzbarem Wert. Um die Wirksamkeit der Maßnahmen langfristig beurteilen und auf zukünftige klimatische Veränderungen reagieren zu können, sollte das Monitoring fortgesetzt und, wo möglich, ausgeweitet werden. Die erhobenen Daten bilden die wissenschaftliche Grundlage für jede zukünftige Entscheidungsfindung im Gewässermanagement.
- Kooperation als Erfolgsfaktor: Die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Organisationen – der IG-Dreisam, dem Angelsportverein Freiburg, dem Landesfischereiverband, der Fischereiaufsicht RP Freiburg und des Landesbetriebes für Gewässer des RP Freiburg– hat sich als äußerst effizientes Modell erwiesen. Diese koordinierte Partnerschaft, die es ermöglicht, Expertenwissen und ehrenamtliches Engagement zu bündeln, ist der entscheidende Erfolgsfaktor für den Schutz der Dreisam und sollte als Blaupause für ähnliche Projekte in anderen Regionen dienen.
Verfasser des Berichts: Simon Wachter
Landesfischereiverband Baden-Württemberg Bezirk Südbaden
Fachlich geprüft durch: Claudio Schill
Landesfischereiverband Baden-Württemberg Bezirk Südbaden
