Körbchenmuscheln – eine bisher unterschätzte Gefahr für unsere Gewässer?

Von links: Gemeine Teichmuschel - 2 Körbchenmuscheln - Malermuschel --- im Vordergrund eine alte Leerschale einer vermutlich Großen Flußmuschel (Bild: LFVBW)

Ein Bericht von Achim Megerle (Kreisvorsitzender Hohenlohekreis)

Wegen des Coronavirus sollte man ja Sozialkontakte und Menschenansammlungen meiden, also war ich im März öfters am Kocher allein unterwegs und suchte nach dem diesjährigen Frühjahrshochwasser die mir bekannten Stellen nach Muschelschalen ab. Dabei hat sich eine bereits in den Vorjahren abzeichnende Tendenz leider bestätigt – es finden sich immer mehr Leerschalen der Grobgerippten Körbchenmuschel.

Erst seit etwa 5 Jahren finde ich diese regelmäßig, zuerst nur in wenigen Exemplaren, aber seit 2019 und 2020 in richtig großen Stückzahlen. Teilweise dominieren diese sogar , während die Zahl der Malermuschel- und Teichmuschelzahlen parallel dazu nach meinem Eindruck wieder abnimmt.

Nun sind ja Bestände an Großmuscheln grundsätzlich zunächst mal was positives, zeigen sie doch, dass es mit der Gewässerqualität wieder aufwärts geht, da Muscheln recht sensibel auf Gewässerverschmutzungen durch Schadstoffe reagieren. Und Muscheln sind für große Cypriniden eine wichtige, nährstoffreiche Nahrung, die gerne gefressen wird. Also prima, dass es mehr Körbchenmuscheln gibt, oder?

Wo kommen diese denn her? Körbchenmuscheln sind heute im Zeichen der globalen Vernetzung fast weltweit verbreitet. Sie stammen ursprünglich aus Asien, sind also Aliens in unseren Gewässern. Man nimmt an, dass diese über die sog. „passive Einschleppung“ über Ballastwasser von Schiffen eingeschleppt wurden; denkbar ist aber auch ein zusätzliches gezieltes Aussetzen oder Freilassen aus Aquarienbeständen, denn Körbchenmuscheln werden im Aquaristikfachhandel zur Aquarienhaltung angeboten. 1984 wurden sie in der Weser, 1988 in den Niederlanden im Rhein nachgewiesen.

Von den Niederlanden aus gelangten sie stromaufwärts in den Jahren 1991/1993 nach Deutschland und erreichten schließlich 1995 Basel. Vom Rhein aus gelangten sie dann in den Main, wo sie sich über den Main-Donau-Kanal weiter in die Donau ausbreiteten.

Über Kanalsysteme besiedelten sie von Westdeutschland aus auch die Mitte und den Osten Deutschlands über Weser, Elbe und Oder. Im Jahr 2003 wurde sie auch im Bodensee nachgewiesen, 2007 im Hochrhein bei Waldshut-Tiengen. Heute sind sie mit Abstand die häufigsten Muscheln im Rhein und Neckar und ihre Schalen bilden dort stellenweise Spülsäume wie am Meeresstränden.Sie erobern jetzt anscheinend auch die sommerwarmen Nebengewässer und breiten sich immer weiter aus.

Körbchenmuscheln sind Suspensionsfiltrierer, die Kleinorganismen (Phytoplankton etc.) und organischen Detritus aus dem Wasser filtrieren. Sie lieben Sand- und Kiesböden, da sie sich dorthin zurückziehen, genauso wie z.B. die Malermuschel. Und genau da liegt das Problem: Denn unsere einheimischen Großmuschelarten benötigen dieselbe Nahrung und müssen sich ihren Lebensraum mit den Muschelaliens teilen. Aber bekanntlich kann man eine vorhandene Naturnahrung nur einmal nutzen – dann ist sie weg. Und hier schlagen die Körbchenmuscheln gnadenlos zu und drängen allein durch ihre schiere Zahl unserer Muscheln in den Hintergrund.

Kurze Reproduktionsphasen (bis zu 3 Generationen/Jahr) ermöglichen eine rasche Ausbildung von sehr dichten Populationen von bis zu 7.000 Exemplaren je m² Boden! Eigentlich unvorstellbar, aber nachgewiesen. Im Bodensee verdrängt sie gerade eine andere Alienmuschel, die Zebramuschel, die bisher dort dominant war. Diese Muschelmassen filtern so viel Nahrung aus dem Wasser, dass für die einheimischen Arten nicht mehr viel übrig bleibt und deren Bestände schrumpfen dann langsam, aber sicher zusammen.

Wie sich dies auf unsere Gewässer auswirkt, ist noch nicht bekannt – positiv nach den mit anderen Aliens gemachten Erfahrungen wird dies aber sicher nicht sein.

Übrigens: Im Gegensatz zu unseren heimischen Großmuschelarten, die alle streng geschützt sind und nicht den Gewässern entnommen werden dürfen, unterliegen fremde Muschelarten zwar nicht der Anlandepflicht des § 2 der Landesfischereiverordnung, aber diese laden zu einem leckeren Muschelessen durchaus ein – siehe Artikel von R.Rösch in Fischereiinformationen aus Baden-Württemberg, Auf Auf, Heft 01/2015 der Fischereiforschungsstelle Langenargen. Einfach mal ausprobieren und guten Appetit!

Es wäre interessant zu wissen, ob sich auch an anderen sommerwarmen Flüssen in Baden-Württemberg die Körbchenmuscheln bereits dermaßen dominant breitgemacht haben. Im Parallelfluß des Kochers, der Jagst, sind sie ebenfalls zahlreich vorhanden und haben auch das „Jagstunglück“ unbeschadet überstanden. Einen informativen Bestimmungsschlüssel für Muscheln findet man übrigens unter www.mollusken-nrw.de .

Wir werden uns wie bei allen anderen in den letzten Jahrzehnten eingewanderten Aliens an deren Anwesenheit gewöhnen müssen – einfach verschwinden werden diese von sich aus sicher nicht wieder. Das einzige was wir tun können ist, diesen mit ökologischen Maßnahmen (Lebensraumgestaltung, Unterstützung/Förderung von Fressfeinden) entgegenzutreten, wo dies möglich ist.

Ansonsten können wir nur versuchen, diese auch zu nutzen, was ja bei den Schwarzmeergrundeln und dem Signalkrebs schon geschieht. Aber wir werden diese Massen ebenso wenig aufessen können wie die Grundeln oder Krebse……